Hall Art Foundation
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Markus Lüpertz
In den Gräben
Ab 23. September 2023

Das Kunstmuseum Schloss Derneburg freut sich, eine Ausstellung mit Arbeiten auf Papier des deutschen Künstlers, Dichters und Musikers Markus Lüpertz ankündigen zu dürfen, der zu den wichtigsten und einflussreichsten Künstler:innen der deutschen Nachkriegszeit zählt. Die Ausstellung zeigt rund 40 frühe Arbeiten, die sich auf das Schaffen des Künstlers zwischen 1964 und 1976 konzentrieren, und zeichnet die Entwicklung von Lüpertz' idiosynkratischer Ikonografie nach. Lüpertz, der vor allem für seine großformatigen Gemälde und Skulpturen bekannt ist, hat im Laufe seiner sechs Jahrzehnte währenden Karriere Tausende von vorbereitenden Zeichnungen angefertigt. Diese Übersicht, die berühmte Motive wie Donald Duck, Eisenbahnschienen, Baumstämme und Soldaten umfasst, ermöglicht einen intimen Überblick über einige von Lüpertz' wichtigsten Themen und zeigt Werke, die seit mehr als vierzig Jahren nicht mehr öffentlich ausgestellt wurden.

 

Lüpertz zog 1962 im Alter von 21 Jahren nach West-Berlin. Kurz darauf entwickelte der Künstler einen Ansatz zur Bildgestaltung, der auf der lyrischen Gattung des „Dithyrambus“ basiert, einer von Nietzsche wiederbelebten antiken Chorlyrik, die sich auf Hymnen zu Ehren des griechischen Gottes Dionysos bezieht, die als leidenschaftlich oder ekstatisch charakterisiert werden.  Die Methode betonte die Spontaneität und rahmte Lüpertz' Herangehensweise an Bilder als ein poetisches Unterfangen, das der literarischen Form ähnelt. Der Künstler veröffentlichte 1966 das „Dithyrambische Manifest“, in dem er bekanntlich feststellte: „Die Anmut des 20. Jahrhunderts wird durch die von mir erfundene Dithyrambe sichtbar gemacht.“ Lüpertz' Verbindung der Abstraktion der Ära des Kalten Krieges mit Mainstream-, kommerziellen oder banalen Themen bleibt die Grundlage seines intellektuellen Ansatzes für Malerei und Skulptur.

 

Im Vorfeld einer Ausstellung in Köln im Jahr 1969 besuchte Lüpertz einen Abschnitt der Siegfried-Linie in einem ländlichen Gebiet an der Westgrenze der BRD. Die als „Westwall“ bezeichnete befestigte Grenze aus Bunkern, trapezförmigen Panzersperren und verlassenen Panzern ist heute noch teilweise vorhanden. Auf der Zeichnung Ohne titel - dithyrambisch (ca. 1970) weidet eine Schafherde vor einem Bauernhaus mit einem schwarzen, dreieckigen Strohdach.  Die Form der Ställe erinnert an die Sichtbehinderung durch die Siegfried-Linie, die, von oben betrachtet, wie eine das Gelände durchschneidende Eisenbahnlinie aussieht. Indem Lüpertz' Zeichnungen pastorale Landschaften und von Menschen gemachte Eingriffe gegenüberstellen, deuten sie auf verschiedene sich überschneidende Geschichten hin, die mit landwirtschaftlichen Initiativen, militärischen Interventionen und nationaler Propaganda zu tun haben.

 

Des Weiteren zeigt die Ausstellung Zeichnungen, die während der Vorbereitungen zur ersten Berlin Art Biennale 1974 entstanden sind, die Lüpertz mitbegründete. In einer Reihe von Studien, darunter Schwarz-Rot-Gold (um 1974), kombiniert Lüpertz seine Stillleben- und Landschaftskompositionen und ordnet Symbole in einer vertikalen Form an, die die abwesende Figur eines Soldaten suggeriert. Anstelle der Figur bleiben die Requisiten: Helm, Holzrad, Spaten und Rüstung, die auf dem Feld  zurückgelassen wurden. Das Hauptthema dieser Serie, die später in großformatigen Gemälden umgesetzt wird, wirft Fragen zur individuellen Identität innerhalb ideologischer Konstruktionen auf.

 

Ergänzt wird diese umfassende Präsentation von Zeichnungen durch wichtige  Gemälde, darunter Arrangement für eine Mütze (1973), in dem Lüpertz verschiedene Elemente in einem stilllebenartigen Arrangement in einer natürlichen, aber surrealen Landschaft übereinanderlegt. Zu den erkennbaren Formen gehören eine Wehrmachtsmütze, eine Malerpalette, eine Gitarre und ein in die zurückliegenden Hügel eingebettetes Schneckenhaus. Die Symbole haben verschiedene Konnotationen, die Gitarre beispielsweise wird in der Kunstgeschichte sowohl mit Picassos kubistischen Collagen als auch mit der weiblichen Form in Verbindung gebracht. Indem Lüpertz einen Wehrmachtshut in eine kubistische Komposition einbaute, nahm er direkt Bezug auf einen Stil, der von der nationalsozialistischen Partei als „entartet“ verurteilt wurde. Diese Auseinandersetzung mit dem Thema wurde zu der Zeit häufig als neofaschistisch empfunden, ein Vorwurf, der Lüpertz und seinen Zeitgenossen, darunter Georg Baselitz, A.R. Penck, Gerhard Richter und Anselm Kiefer, die sich mit ähnlichen Fragen beschäftigten, entgegenschlug. Rückblickend war es das Engagement all dieser Künstler:innen für performative und/oder illustrative Tabus, das eine Versöhnung mit der Nachkriegsidentität durch eine neue Künstler:innengeneration erzwang.

 

Markus Lüpertz (*1941, Böhmen) lebt und arbeitet in Berlin und Düsseldorf, Deutschland. Sein Werk wurde seit 1973 in zahlreichen Ausstellungen gezeigt, darunter in jüngster Zeit im Haus der Kunst, München; Palazzo Loredan, Venedig; im Hirshhorn Museum und in der Phillips Collection, Washington DC; Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris, in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn; Gementeemuseum, Den Haag, und im Hermitage State Museum, St. Petersburg.

 

Detaillierte Informationen und Bildmaterial stellt das Verwaltungsbüro der Hall Art Foundation unter info@hallartfoundation.org zur Verfügung.

 



 

 

 

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Markus Lüpertz

Ohne titel - dithyrambisch, ca. 1970

Crayon and colored chalk on paper

16-1/2 x 22 in. (42 x 56 cm)

Hall Collection. Courtesy Hall Art Foundation

© 2023 VG Bild-Kunst, Bonn

 

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Markus Lüpertz

Schwarz-Rot-Gold, ca. 1974

Gouache, crayon on paper

27 x 19-1/4 in. (68.5 x 49 cm)

Hall Collection. Courtesy Hall Art Foundation

© 2023 VG Bild-Kunst, Bonn

 

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Markus Lüpertz

Arrangement für eine Mütze, 1973

Distemper on canvas

52-1/4 x 68 in. (133 x 173 cm)

Hall Collection. Courtesy Hall Art Foundation

© 2023 VG Bild-Kunst, Bonn

 

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Markus Lüpertz

Ohne titel / zu Donald Duck - dithyrambisch, 1963/64

Tempera and mixed media on layered packing paper

38 x 27 in. (96.5 x 68.5 cm)

Hall Collection. Courtesy Hall Art Foundation

© 2023 VG Bild-Kunst, Bonn