Hall Art Foundation
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Leon Golub
27. Mai 2023 - 10. März 2024

Das Kunstmuseum Schloss Derneburg freut sich, die Eröffnung der Ausstellung von Werken des amerikanischen Künstlers Leon Golub am 27. Mai 2023 ankündigen zu dürfen. Bekannt für seine expressiven, figurativen Gemälde, die das Verhältnis des Menschen zu Machtgefügen erforschen, versammelt diese Ausstellung etwa 70 Werke aus den Sammlungen Hall und Meyer, die Golubs Schaffen von 1947 bis 2003 dokumentieren. Damit handelt es sich hierbei um die größte Ausstellung von Golubs Werken, die bisher in Deutschland gezeigt wurde.

 

Leon Golub war überzeugt, dass Kunst einen nachvollziehbaren Bezug zu den Ereignissen in der Welt haben müsse, um für den Betrachter relevant zu sein. Seit den Vierzigerjahren schuf er psychologisch tiefgründige und emotionale Gemälde, die den Betrachter bewusst direkt ansprechen – und damit heute so aktuell sind wie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung. Golub arbeitete dabei in einem unverwechselbaren, figürlichen Stil, der durch primitive Kunst, Fotografie, Druckkunst und Rundfunkmedien beeinflusst war. Die Bilder zeigen Szenen privater und öffentlicher Konflikte und decken so die komplizierten Verwicklungen allzu alltäglicher Machtmissbräuche auf. In seinen Werken stellt er die stereotype Polarität von Opfer und Täter in Frage und wiegt dabei die Erforschung moderner politischer Probleme gegen zeitlose, universell-menschliche Fragen auf.

 

Man versucht dabei immer, eine Art Bericht zu verfassen. Ich habe mich mit Situationen voller Stress und Gewalt und so weiter auseinandergesetzt. Es gibt praktisch keinen Ort, an dem es nicht zu enormen Gewalttaten gekommen wäre oder noch kommen wird oder jetzt gerade kommt. […] Eine der größten Geschichten unserer Zeit sollte sein, was Menschen einander immer wieder antun. Aber es gibt recht wenig Kunst, die sich damit beschäftigt. (Übersetzung nach: Leon Golub in Leon Golub, While the Crime is Blazing: Paintings and Drawings, 1994-1999. (New York: Bucknell University, 1999), S. 4)

 

Viele der frühesten Werke Golubs aus den Fünfzigern und frühen Sechzigerjahren haben als Sujet eine totemartige männliche Figur. In einer Referenz auf die klassische Antike ähneln diese Körper oft Königen, Kriegern oder Schamanen. Römische Büsten waren eine besonders wichtige Quelle für Golubs Serie kolossaler Köpfe. In Werken wie Head (XXXVII) (1959) suggeriert die expressionistische, verzerrte und hochgradig texturierte Darstellung des männlichen Antlitzes Folter und Qualen. 

 

Gegen Ende der Sechziger sind Golubs Konfliktdarstellungen immer weniger nach innen gerichtet. Ausgeführt auf einer großen gespannten Leinwand sind die beiden Männer in Combat II (1968) generalisierte Abbilder der männlichen Figur im Kampf mit abstrahierten Körpern, die grobschlächtig anmuten und ganz aus Muskeln und Sehnen zu bestehen scheinen. Gigantomachy III (1966) ist eine moderne Auslegung des klassischen Fries-Formats, für das Golub auch Fotos zeitgenössischer Profisportler als Referenz verwendete. Dargestellt ist eine Gruppe von Männern, die horizontal über die gesamte Bildebene angeordnet sind. Gewaltsam treten sie auf einen am Boden liegenden Körper ein. Mit diesen nicht näher identifizierbaren kämpfenden Figuren in einer uneindeutigen, ahistorischen Umgebung repräsentieren Golubs Werke aus dieser Schaffensperiode die universelle Natur der Gewalt und des Krieges und ihr inhärentes Zerstörungspotenzial.

 

Mitte der Siebzigerjahre begann Golub, eine umfassende Porträtserie von öffentlichen Persönlichkeiten. Dabei explorierte er das „Gesicht der Macht“, das er bei politischen Entscheidungsträgern, Diktatoren, Unternehmern und religiösen Führern vermutete. Er arbeitete auf der Grundlage von Fotografien aus Zeitungen und Wochenmagazinen. Zu seinen Sujets zählten unter anderem Fidel Castro, Leonid Breschnew, John Foster Dulles, Gerald Ford, Francisco Franco, Henry Kissinger, George Wallace und Mao Tse-Tung. In Kissinger III (1978) setzte Golub eine charakteristische Technik ein, indem er die Farbe immer wieder abkratzte, um so ein flaches, beinahe geisterhaftes Porträt freizulegen, das von nackter Leinwand umgeben ist. Golub fertigte oftmals mehrere Porträts derselben Person zu verschiedenen Zeiten in ihrem Leben an und schuf so eine Chronik der durch das Auge der Öffentlichkeit geformten Medienwahrnehmung der Akteure.

 

Ausgehend von seinen generalisierten oder „universellen“ Kampfszenen entwickelte Golub sich weiter. Er bezog seine Inspiration aus den politischen Ereignissen in den Vereinigten Staaten und anderswo und brachte seine handelnden Figuren „in das Reale“, indem er zeitgenössische Details wie Kleidungsstücke, Waffen und Ausrüstungsgegenstände in die Bilder einbrachte. Golub arbeitete weiterhin mit Fotografien, die er in Zeitungen und Magazinen fand und baute seine Szenen auf, indem er verschiedene Fragmente gefundener, oft zusammenhangloser Bilder überlagerte. In Werken aus der Serie Mercenary, wie etwa Mercenaries IV (1980), zeigt Golub Berufssoldaten, die eingesetzt werden, um staatlich gebilligte Akte der Gewalt zu vollführen.

 

In White Squad X (1986) erweitert Golub seine früheren Studien staatlich sanktionierter Gewalttaten und zeigt Exzesse, die nun anstelle von Militärs von der Polizei verübt werden. In dieser Szene nehmen zwei Polizisten in Zivil einen Weißen Mann fest. Der Kopf des Verhafteten, der zu Boden gedrückt wird, ist zugleich der Schnittpunkt zwischen der Macht der einen Figur und dem Ausgeliefertsein der anderen. Ausgeführt auf einer monumentalen ungespannten Leinwand, setzte Golub auch hier seine charakteristische, arbeitsintensive Technik ein, bei der er zunächst Farbe in Schichten auf die Leinwand auftrug, um sie anschließend mit einem Fleischerbeil wieder abzuschaben. Die eckigen Gesten und drohenden Haltungen der Polizisten bezog Golub aus verschiedenen Magazin- und Zeitungsausschnitten. Die drei Männer befinden sich vor einem rostrot gefluteten Hintergrund, der sie dem Betrachter entgegendrängt und das Gefühl der Bedrohlichkeit noch verschärft.

 

Geboren 1922 in Chicago, Illinois, war Leon Golub bis zu seinem Tod 2004 in New York City als Künstler, Aktivist, Autor und Lehrer tätig. Er legte an der University of Chicago einen Bachelor of Arts ab und erlangte an der School of the Art Institute of Chicago einen Bachelor und danach Master of Fine Arts. Golubs Werke wurden in vielfältigen Einzelausstellungen in den USA und darüber hinaus gezeigt. Er war Mitglied der American Academy of Arts and Letters und erhielt im Jahr 1996 den Hiroshima Art Prize (gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Nancy Spero). Seine Werke befinden sich in Museen und öffentlichen Sammlungen auf der ganzen Welt. 

 

Zu dieser Ausstellung gibt es einen Katalog mit neuen Essays von Jon Bird, Kelly Baum und Sandy Nairne sowie einem bisher unveröffentlichten Interview mit dem Künstler aus dem Jahr 1985. Mit ganzseitigen Bildern, veröffentlicht auf Deutsch und Englisch.

 

Detaillierte Informationen und Bildmaterial stellt das Verwaltungsbüro der Hall Art Foundation unter info@hallartfoundation.org zur Verfügung.

 

 

 

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Leon Golub

Head (XXXVII), 1959

Lacquer on canvas

31 x 28 inches (79 x 71.5 cm)

Hall Collection

Courtesy Hall Art Foundation

© The Estate of Leon Golub

 

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Leon Golub

Flight, 1963

Acrylic on canvas

96 x 81 inches (244 x 206 cm)

Hall Collection

Courtesy Hall Art Foundation

© The Estate of Leon Golub

 

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Leon Golub

Combat (II), 1968

Acrylic on linen

106 x 73 in. (269 x 185 cm)

Hall Collection

Courtesy Hall Art Foundation

© The Estate of Leon Golub

 

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Leon Golub

Gigantomachy III, 1966

Acrylic on linen; unstretched with grommets at top edge

114 x 212 in. (289.6 x 538.5cm)

Ulrich Meyer and Harriet Horwitz Meyer Collection

© The Estate of Leon Golub

 

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Leon Golub

Kissinger III, 1978

Acrylic on linen

22 x 22 inches (56 x 56 cm)

Hall Collection

Courtesy Hall Art Foundation

© The Estate of Leon Golub

 

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Leon Golub

Francisco Franco (1974) V, 1976

Acrylic on linen

18 ¼ x 15 inches (46.5 x 38 cm)

Hall Collection

Courtesy Hall Art Foundation

© The Estate of Leon Golub

 

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Leon Golub

Mercenaries IV, 1980

Acrylic on canvas; unstretched with grommets at top edge

120 x 230in. (304.8 x 584.2cm)

Ulrich Meyer and Harriet Horwitz Meyer Collection

© The Estate of Leon Golub

 

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Leon Golub

White Squad X, 1986

Acrylic on linen

121 ½ x 170 inches (309 x 432 cm)

Hall Collection

Courtesy Hall Art Foundation

© The Estate of Leon Golub